Familienbeihilfe (Teil 2)
Ist die im Vorartikel als „reine Formsache“ bezeichnete Zuerkennung noch einfach, hat die Erhaltung des Anspruchs auf Faimilienbeihilfe bei den vielfältigen Familien-, Ausbildungs- und Arbeitsformen auch ihre Tücken.
Beispiele: Fragen zur Familienbeihilfe
- Besteht Anspruch auf erhöhte Beihilfe wegen Behinderung des Kindes?
- Ist eine Ausbildung des Kindes noch anzuerkennen oder als Weiterbildung zu beurteilen?
- Wie sind Studienwechsel zu beurteilen?
- Muss sich eine Wechselstudentin zwischendurch arbeitslos melden um den Familienbeihilfenanspruch zu erhalten?
- Wieviel darf ein Kind dazuverdienen?
Familienbeihilfe und Minderjährigkeit
Minderjährige besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe jedenfalls; weder das Einkommen der Eltern noch das des Kindes schränken diesen Anspruch ein. Jedoch ist auf andere Einschränkungen zu achten, etwa, dass der Elternteil, der die Familienbeihilfe beansprucht, seinen Wohnsitz in Österreich hat.
Familienbeihilfe und Lehre
Daher gibt es für Lehrlinge unter 18 Jahren jedenfalls Familienbeihilfe, für Lehrlinge bis 24 Jahren auch dann noch, wenn sie sich in beruflicher Ausbildung befinden. Übrigens steht Lehrlingen, wenn sie mehr als 2 km von ihrer Lehrstätte entfernt wohnen, bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel einen Freifahrtausweis bzw. bei Fahrt mit eigenem Kraftfahrzeug (Moped) eine Fahrtenbeihilfe beantragen. Die Fahrtbeihilfe beträgt bis 10 km: 5,1 € monatlich, über 10 km: 7,3 € monatlich.
Familienbeihilfe und Behinderung
Bei Behinderung des Kindes, die voraussichtlich eine dauernde Erwerbsunfähigkeit zur Folge, besteht Anspruch auf Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr.
Familienbeihilfe und Ausbildung
Seit 1. Juli 2011 wird Familienbeihilfe grundsätzlich bis zum 24. Lebensjahr (bisher: 26. Lebensjahr) gewährt. Ausnahmsweise wird das Anspruchsalter auf das vollendete 25. Lebensjahr erhöht, bei:
- einer erheblichen Behinderung der Studierenden (mindestens 50 Prozent)
- absolviertem Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienst
- einem Studium mit einer Mindeststudiendauer von mehr als neun Semestern, wenn das Studium im dem Kalenderjahr, in dem die Studierende das 19. Lebensjahr vollendet hat, begonnen wurde
- einer freiwilligen Hilfstätigkeit bei einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrt mit Einsatzstelle im Inland
Familenbeihilfe und Ferien
Für volljährige Kinder besteht der Familienbeihilfenanspruch weiter, wenn zwischen dem Abschluss der Schule und dem Beginn einer weiter Berufsausbildung Ferien- oder notwendige Wartezeit liegt.
Familienbeihilfe und Studienerfolg
Die Familienbeihilfe wird prinzipiell für die gesetzliche Mindeststudiendauer gewährt.
Verlängerungen erfolgen, wenn:
- um ein bzw. zwei Toleranzsemester überzogen wird (+2 Semester)
- wegen schwerer Krankheit oder aufgrund eines Auslandsstudiums für mindestens drei Monate unterbrochen wird (+1 Semester)
- Mutterschutz und die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres in die Studienzeit fallen (+ Dauer Mutterschutz und Pflege/Erziehung)
- die Studentin Studentenvertreterinnen ist (+ 4 Semester)
STEUERtipp: Studienwechsel
Ein Studienwechsel ist maximal zweimal möglich und muss spätestens vor dem dritten inskribierten Semester vorgenommen werden. Wird das Studium erst später gewechselt, entfällt die Familienbeihilfe für so viele Semester, wie in den vor dem Wechsel betriebenen Studien Familienbeihilfe bezogen wurde. Diese Wartezeit kann durch die Anrechnung von Prüfungen aus dem alten Studium im neuen Studium verkürzt werden.
Familienbeihilfe und Haushalt
Anspruchsberechtigt sind Eltern für ihre Kinder, die im gemeinsamen Haushalt leben, wobei ein vorübergehender Aufenthalt außerhalb der mit einheitlicher Wirtschaftsführung bedachten Wohnung (etwa WG oder Studentenheim) nicht schädlich ist. Eine Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern gilt z.B. nicht als aufgehoben, wenn sich die Kinder zu Berufsausbildungszwecken notwendigerweise an einem anderen Ort aufhalten. Maßgeblich ist die Tragung der Unterhaltskosten.
Einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe haben Kinder dann, wenn die Haushaltsgemeinschaft zu den Eltern nicht mehr besteht und die Eltern ihrer Unterhaltspflicht nachweislich nicht nachkommen.
Für Kinder, denen von der Ehegattin bzw. von der früheren Ehegattin Unterhalt zu leisten ist, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Familienbeihilfe und Verdienen
Studentinnen können seit 2011 jährlich 10.000 € (bisher 9.000 €) nebenbei verdienen, ohne den Anspruch auf Familienbeihilfe zu verlieren.
STEUERtipp: Wie bekomme ich Recht?
Seit ca. 2003 gibt es die Unabhängigen Finanz Senate (UFS), die in Abgaben- und auch Beihilfenverfahren Entscheidungen in 2. Instanz treffen. Seitdem sind ca. 4.400 Entscheidungen zum Thema Familienbeihilfe getroffen worden und öffentlich abrufbar www.bmf.gv.at.
Ein Beispiel:
Die in Österreich arbeitende Mutter bezieht für die in Italien bei ihrem Exgatten lebende Tochter Familienbeihilfe, und das Finanzamt befindet, dass dies nicht rechtens ist und fordert 10.116,65 € an ausbezahlter Familienbeihilfe für 5 Jahre zurück. Die Mutter bekämpft den Bescheid und bekommt Recht. Dabei wird den Paragraphen des österreichischen Familienlastenausgleichsgesetzes noch eine Verordnung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) übergeordnet, die besagt, dass Arbeitnehmerinnen oder Selbstständige des Beschäftigungslandes Anspruch auf Familienleistungen dieses Landes haben, auch wenn die Kinder sich ständig in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten.
Mit der Familenbeihilfe eng verknüpft
sind auch steuerliche Erleichterungen, die wegfallen, wenn die Familienbeihilfe für mehr als 5 Monate im Jahr nicht mehr zusteht.
Hier ein Überblick:
Geltendmachung | Verlust im Jahr maximal | |||
Kinderfreibetrag | 132 oder 220 € | Steuererklärung / Veranlagungsantrag | abhängig von der Einkommenshöhe | 110 € |
Alleinverdienerinnenabsetzbetrag, Alleinerzieherinnenabsetzbetrag | mind. 494 € | Steuererklärung / Veranlagungsantrag | abhängig von der Einkommenshöhe | 247 € |
Sonderausgabenerhöhungsbetrag | 1.460 € | Steuererklärung / Veranlagungsantrag | abhängig von der Einkommenshöhe | 182,50 € |
Mehrkinderzuschlag für ein „drittes“ Kind | 20 € monatlich | Antrag mit Steuererklärung | Direktzahlung | 240 € |
Kinderabsetzbetrag | 58,40 € monatlich | ausbezahlt mit Familienbeihilfe | Direktzahlung | 700,80 € |
Freifahrt | z.B. Studentinnenticket in Wien € 29,50 | Bei Vorlage der Nachweise¹) oder NEU in Wien²) | Preisvorteil | 480 € |
Gesamt | 1.960,30 € |
¹) ordentliche Hörerinnen und Hörer einer Studieneinrichtung gemäß § 3 StudFG gültig, sofern diese Familienbeihilfe beziehen bzw. vor Beginn des jeweiligen Semesters (1. März bzw. 1. Oktober) das 26. Lebensjahr nicht vollendet haben.
²) Nach der Taifreform der Wiener Linien ab 1. Mai 2012 gilt:
Das Semesterticket für Studierende gilt nun fünf Monate statt vier, es gibt nur noch zwei Tarife: 75 Euro für Wienerinnen, 150 für nicht in Wien Gemeldete. Ob Familienbeihilfe bezogen wird, ist in Zukunft für das Semesterticket egal. Das neue Semesterticket können alle Studierenden unter 26 erwerben.
(Marina Polly) 09/11
siehe auch: Benachteiligung Kinder (10/2012), Basics: Familienbeihilfe (k)ein Nebenthema (07/2011), Neuerungen für Studierende (07/2011)